Lösemittel (VOC)

Was sind Lösemittel?

Was sind Lösemittel?

Lösemittel sind flüchtige organische Verbindungen, die andere Stoffe lösen oder verdünnen, ohne sie chemisch zu verändern.

Meistens handelt es sich bei diesen Stoffen um Gemische und nicht um "einzelne, reine" Stoffe. Die Gemische setzen sich in der Regel aus den Substanzklassen der Aldehyde, aliphatischer und aromatischer Kohlenwasserstoffe, Alkohole, Glykole, Ketone und Ester zusammen. Während und nach der Verwendung von Mitteln (z.B. Kleben, Lackieren) entweichen diese Stoffe in die Raumluft und werden überwiegend über die Atmung vom menschlichen Organismus aufgenommen.

  • Aliphatische Kohlenwasserstoffe (z.B. Hexan, Oktan, Dekan, Dodekan) sind häufig verwendete Lösemittel, die z.B. in Terpentinersatz, Petroleum, Klebern, Lacken, Farben sowie Kunststoffmaterialien (PVC) enthalten sind und aus diesen Stoffen ausgasen können.

  • Aromatische Kohlenwasserstoffe (z.B. Toluol, Ethylbenzol, Xylol) kommen z.B. in Treibstoffen, Klebern,(Nitro-)Lacken, Verdünnern und vielen anderen Produkten vor. Sie können auch in der Außenluft vorkommen.

  • Chlorierte Kohlenwasserstoffe (z.B. Dichlorethan, 1,1,1- Trichlorethan, Tetrachlorethylen = Per) werden u.a. zur chemischen Reinigung, zum Entfetten und Abbeizen oder in Korrekturflüssigkeiten eingesetzt.

  • Aldehyde, Alkohole, Ketone, Ester (z.B. Methanol, Butanol, Propanol, Ethanol, Ethylacetat, Butylacetat, Hexanal, Aceton) dienen u.a. als Verdünner, Glanzverbesserer und Reinigungsmittel. Sie sind u.a. Bestandteile in Lacken, Klebern und Druckfarben.

  • Terpene (z.B a-Pinen, 3-Karen und Limonen) werden häufig als "natürliche" Lösemittel bezeichnet, sind aber trotzdem nicht harmlos. Sie stammen aus Tannen- und Fichtenholz und werden zunehmend in Lacken und Klebern eingesetzt. Limonen kommt u.a. in den Schalen der Zitrusfrüchte vor und wird als Zitrusduftersatz vielen Küchenprodukten (Wasch- und Spülmittel usw.) zugesetzt.

Wie wirken sie auf den Menschen?

Über die Atemluft gelangen Lösemittel in die Lunge, wo sie resorbiert und mit dem Blut in die einzelnen Organe und Gewebe transportiert werden und ihre Giftwirkung entfalten. Auch eine Aufnahme über die Haut oder die Nahrung ist möglich.

Die Wirkungsschwellen für Lösemittel sind sehr unterschiedlich. Neben einer narkoseähnlichen Wirkung treten je nach Substanz Schleimhautreizungen, Schwindelgefühl, Müdigkeit, Benommenheit und bei höherer Dosis auch Übelkeit und Kopfschmerzen auf. Bei einer Langzeitbelastung können neben psychoorganischen Störungen Leber- und Nierenschädigungen hinzukommen. Mit den schlimmsten Folgen ist z.B. nach dem Lackieren größerer Flächen oder dem Kleben von Bodenbelägen bei gleichzeitig schlechter Belüftung der Räume zu rechnen.

Wie kann man Lösemittel messen?

Erhöhte Lösemittelkonzentrationen in der Raumluft sind oftmals durch den charakteristischen "chemischen" Geruch zu erkennen. Zur Ermittlung von erhöhten Konzentrationen sind aufwendige Untersuchungen notwendig. Dies hängt u.a. damit zusammen, dass es sich hier um mehrere hundert verschiedene bekannte und unbekannte Substanzen handelt, die in Frage kommen.

Vor einer Probenahme sind zunächst die Vorbedingungen zu klären. Für eine gesundheitliche Beurteilung werden meist "worst case" Verhältnisse für die Lüftung gewählt, d.h. der zu prüfende Raum sollte bei normaler Temperatur und Feuchtigkeit vor der Messung mindestens 24 Stunden nicht gelüftet werden. Danach werden bei geschlossenen Fenstern und Türen über mehrere Stunden Luft auf Aktivkohle oder andere Adsorbentien gesaugt.

Eine weitere Möglichkeit besteht in der Anwendung eines sog. Passivsammlers, der ca. 14 Tage in dem belasteten Raum ausgelegt wird und über den Probenahmezeitraum die mittlere Belastung der Raumluft aufnimmt. Im Labor werden die in der Aktivkohle angereicherten Stoffe herausgelöst und mit gaschromatischen und massenspektrometrischen Verfahren analysiert.

Liegt eine deutliche Belastung des Wohnraums mit flüchtigen organischen Verbindungen (VOC) vor, sollte die Quelle ermittelt werden. Für die Quellenermittlung eignet sich die Ausgasung von gezogenen Materialproben. Dazu werden die Proben ca. 1 Woche in einem geschlossenen Glasgefäß aufbewahrt und eine Luftprobe aus dem Gefäß analysiert.

Wie werden Lösemittel beurteilt?

Grundsätzlich sind Lösemittel in ihren gesundheitlichen Auswirkungen auf den Menschen sehr schwer zu beurteilen, weil sie immer in unterschiedlichen Kombinationen vorkommen und hierfür keine Richt- oder Grenzwerte vorliegen.

Theoretisch sollte die Innenraumluft nicht schlechter sein als die Außenluft, aber diese Forderung ist im Normalfall sicherlich nicht einzuhalten. Maximale-Arbeitsplatzkonzentrationen (MAK-Werte) sind zur Beurteilung nicht geeignet und bieten keinen Schutz vor chemischen Belastungen in Wohnungen oder Büros. Sie wurden für Einzelsubstanzen aufgestellt und gelten nur für arbeitsschutzrechtlich kontrollierte Arbeitsräume. Sie liegen um etwa das tausendfache gegenüber Vorsorgewerten in sonstigen Innenräumen zu hoch.

Hinzu kommt, dass gleichzeitig auftretende Stoffe nicht nur in der Summe wirken sondern sich auch gleichzeitig in der Wirkung potenzieren können. (Interaktion) Bei allen Bewertungen ist zu beachten, dass auch Säuglinge, Schwangere, Kranke oder sonst sensibilisierte Personen in Innenräumen zuverlässig geschützt werden müssen.

Zum Vergleich werden oftmals die Werte aus einer Untersuchung des Bundesgesundheitsamtes herangezogen, die 1985 in ca. 500 Wohnungen durchgeführt wurde. Damit kann allerdings nur festgestellt werden, ob eine "auffällige" Belastung vorhanden ist, d.h. ob die gemessene Konzentration über dem 90 %-Percentil-Wert der BGA-Liste liegt.

Bei einer gesundheitlichen Bewertung ist auch zu beachten, ob möglicherweise eine Sensibilisierung eingetreten ist, da in den ersten Tagen und Wochen nach erfolgten Baumaßnahmen sicherlich die höchsten Werte auftreten. Als Vorsorgemaßnahme sollten Innenräume nach dem Einsatz von lösemittelhaltigen Baumaterialien mindestens sechs Wochen gut gelüftet und möglichst nicht genutzt werden!

Wie kann eine Sanierung durchgeführt werden?

Die erfolgversprechendste Methode der Sanierung ist das Entfernen sämtlicher relevanten lösemittelausgasender Quellen. Dies ist allerdings in der Praxis oft nur mit erheblichem (Kosten-) Aufwand möglich. Wenn bei Einhaltung der üblichen Trocknungszeiten (ca. 6 Wochen) immer noch gesundheitliche Beeinträchtigungen eintreten können, ist eine Sanierung allerdings unumgänglich.

Welche Alternativen zu Lösemittel gibt es?

Der wirkungsvollste Effekt zum Schutz der Gesundheit kann durch den generellen Verzicht auf lösemittelhaltige Produkte erzielt werden. Das gilt z.B. für Teppichkleber und Lack- oder Latexfarben an den Wänden. Durch eine Papiertapete werden die Wände nicht "versiegelt" und der Anstrich mit einer Innen-Dispersionsfarbe ist in Wohn- und Schlafräumen ebenso ausreichend wie für Büros. Wenn der Einsatz lösemittelarmer Produkte unumgänglich ist, muss auf gute und schnelle Trocknungszeiten ebenso geachtet werden wie auf eine intensive und regelmäßige Lüftung. Oftmals ist der Verzicht auf Kunststoffmaterialien (z.B. Vinyltapeten) nicht nur gesünder sondern auch kostensparend! Insbesondere PVC-Produkte sollten aufgrund ihrer Weichmacheranteile und der gesamten Umweltproblematik gemieden werden.

Achtung:

Sicherheitsdatenblätter liefern Fachdaten für Industrie und Gewerbe, erlauben aber keine Schlüsse auf mögliche Gesundheitsgefahren für den Nutzer.

Als "lösemittelarm" gekennzeichnete Kleber dürfen z.B. einen Anteil an Lösemitteln von 5% haben. Zudem werden über die tatsächlichen Inhaltsstoffe und über die Gefährlichkeit in der Regel keine Angaben gemacht.

Auch aus gesetzlich als "lösemittelfrei" gekennzeichneten Produkten können Lösemittel ausgasen, denn ein Anteil unter 0,5% braucht ebenso wenig angegeben zu werden, wie der Gehalt an Lösemitteln mit einem Siedepunkt oberhalb von 200 °C.